"Region - Mindelheim:"
Klein-/Großkitzighofen – "Bauernschlachtkapelle"

(Landkreis Ostallgäu; Reg.Bezirk Buchloe/Schwaben/Gmd.: Kitzighofen (LKr. Schwaben/Allgäu)
Koordinaten:
10°46'12.90"E"  ( Östlicher Länge)
48° 4'55.88"N" (Nördlicher Breite) - in Google-Earth

10. Mai 1525 – historisches Drama in Kitzighofen:

Inmitten des Lechfeldes, im Dreieck zwischen Landsberg,  Igling- und Buchloe nordwestlich des Stoffersberges liegt die Gemeinde Gross- und Kleinkitzighofen. Die Ortschaft Grosskitzighofen erwuchs ursprünglich  aus einem Haufendorf mit Siedlungsursprung im 13.Jhdt. Der Ortsname leitet sich ab aus „Kuzzenkova“ (ca. 11.Jhdt) entwickelte sich  im 13.Jhdt. zu Kuzzinchoven“  bis in 16.Jhdt zum heute bekannten Namen. Es bedeutet soviel wie „die Höfe der Leute der Chuzzosippe“.
Kleinkitzighofen liegt ca. 0,7km westlich davon, ebenfalls ein Haufendorf mit Gründungszeitpunkt etwa zur selben Zeit wie Grosskitzighofen. Älteste Siedlungsspuren weisen auf Lehensherren - Hochstiftsvögte – die „Edlen von Schwabegg“ (bei heutigem Schwabmünchen) hin, und deren Nachfolger – die Ritter von Rohrbach, sowie später der Augsburger Bürger – „Welser“ und Rehlinger“.

Zeitlicher und politischer Hintergrund:
Zum Ende des Spätmittelalters, seit etwa 1280 bis einige Jahrzehnte nach der "Großen Pest", (Schwarzer Tod ) um 1350 ging die europäische Geschichte mehrere epochale krisenhafte Entwicklungen durch, die zu einem starken Bevölkerungsrückgang, aber auch zu starken Veränderungen der Gesellschaftsstruktur führten, die langsam in die Neuzeit überleiteten. Das aufsteigende Bürgertum der Städte, die Begründung des Handwerkertums und der Kaufmannsgilden,  mit der beginnenden Geldwirtschaft, gingen einher mit dem schwindenden gesellschaftlichen, sowie finanziellen Einfluss des „Klein-Adels“. Die Weiterentwicklung der Waffentechnik im Spätmittelalter, Erfindung- der Armbrust, der Langbogen, sowie später das Aufkommen des Schießpulvers führte dazu, dass sich die ursprüngliche Bewaffnung der adeligen Ritterschaft mehr und mehr nachteilhaft auswirkte. Das sogenannte „Raubrittertum“ eine Folgeerscheinung dieser Entwicklung, sowie die Entwicklung von Feuerwaffen und Kanonen, führten zu einem im ausgehenden Mittelalter, entstehenden Autoritätsverlust des vorhandenen "Klein-/Mittel-Adels" und damit verbunden in ihren politischen und finanziellen Einfluss auf die Bevölkerung.

Das 14.-16.Jhdt wurde geprägt durch die Zeit der Renaissance (je nach Land spätes 14. - 16.Jhdt.), deren Entdeckung insbesondere der "Neuen Welt" durch Christoph Columbus im Jahre 1492, die Erfindung des Buchdrucks 1454 beeinflusst hat  durch und in engen Zusammenhang damit der Verlust des Einflusses der institutionalisierten katholischen Kirche und der Beginn der Reformation.
Besonders dieses reformatorische Ereignis – der „97-Thesen-Anschlag Luthers 1517, in Verbindung mit den vorher geschilderten Umwälzungen, führten an der Schwelle des 15. zum 16. Jahrhundert zu Erhebungen der Bevölkerung in religiöser als auch politischer Hinsicht, die mit den Bauernkriegen ihren Beginn nahmen.

Die Bauernkriege (1523-1526) – die Revolution des „gemeinen Mannes“:
Mit diesem Begriff versteht man unter einen Aufstand und Erhebung – insbesondere der bäuerlichen Bevölkerungsschicht, die sich politisch und sozial benachteiligt fühlten. Die Reformation Martin Luthers war ein weiterer Baustein der mit  zu den Aufständen führte. In der proklamierten "Freiheit eines Christenmenschen" sahen die unterdrückten Bauern ein Zeichen, sich ihre ihre unterdrückte Freiheit zu erkämpfen. Die ersten Aufstände brachen in Mitteldeutschland aus, die sich in der Folge zu lokalen Aufständen zwischen Bauern und Adel rasch in ganz Süddeutschland ausbreiteten, die weiter in Richtung Tirol, und Steiermark, nach Franken und Thüringen fortsetzten, sowie nach Ungarn, England und der Schweiz ausdehnten. In diesen Erhebungen wurden viele Klöster, Klösterhöfe und Burgen zerstört. Da die Bauern die Hauptlast des im Mittelalter gegründeten Feudalsystems (Steuern, Zölle, Abgaben und Frondienste) trugen, führte dies zu hohen Belastungen. Missstände des katholischen Klerus, sowie „Ablassbriefe“, aber auch insbesondere die Klimaverschlechterung und damit verbunden Mißernten, Seuchen und Hungersnöte – all dies führte zu einem Zündstoff, der zu den besagten Bauernaufständen führte. Die Höhepunkte der Bauernkriege mit den Führern an deren Spitze z.B. Michael Gaisner/Tirol) sowie Thomas Müntzer/Thüringen) - u.a. Mai1525 – die Schlacht von Frankenhausen (Gefangennahme und Hinrichtung von Thomas Müntzer).

Insbesonders im schwäbischen Sprachraum wurden durch Vertreter der drei süddeutschen „Bauernhaufen: Allgäuer, Baltringer und Seehaufe“ - durch die im Februar 1525 von dem Memminger Kürschners – Sebastian Lortzer – veröffentlichten  zwölf Artikeln (Februar 1525 / in Memmingen),  der Schwäbischen Bauern eine Grundforderung aufgestellt, die für viele friedliche Bauern ein Anlass zum Widerstand und Miteifern war.

Regionale Annalen u. Zeugnisse des historischen Konfliktes:
Obwohl in den medialen Bibliotheken über die Bauernkriege eine Menge an historischen Material vorliegt, vermisst man in den regionalen Annalen die Geschehnisse in 1525 aus der Gemeinde Kitzighofen östlich des Lechs der bayerischen Reichsstadt Landsberg/Lech. Da zumeist Geschichte aus dem Gesichtspunkt des/der Sieger geschrieben wurde, spricht man oft von den „Aufständen“ oder „Rebellen“ denen man habhaft werden, und weitere Ausbreitungen verhindern wollte. Was dabei allgemein vergessen wird, sind dabei die Lebensumstände, wirtschaftliche Notsituation, als auch die immensen Opfer, die meistens auf der Seite der Unterlegenen, sowie deren Hinterbliebenen getragen wurden.

Geschichte besteht aus mehreren Hintergründen, die immer aus verschiedenen Richtungen beobachtet und bewertet werden sollten. So auch die Geschehnisse aus dieser Region, die in diesem Artikel etwas mehr beleuchtet werden sollen. Historische Bewertungen fanden u.a. in den Schilderungen der Verwaltungsberichte der Stadt Landsberg 1898 (S.40), der Ortschronik von Grossaitingen (Erbe unser Ahnen 2. Auflage 1976, S.61), später 1979 in den Schriften von Landrat Müller-Hahl (Fuchstal-Reformation“), als auch 1982 in den Historischen Blättern Landsberg/Lech unter dem Titel Landsberg im Bauernkrieg 1525 von Eduard Pflanz. Ebenso widmete sich dieser Kapelle Reinhard Baumann in seiner Niederschrift "Gegen Vergessen – für Demokratie", - S.36).

Besonders zu erwähnen ist hier u.a. auch der örtliche Heimatpfleger Siegfried Götz, der zu diesen Geschehnissen mehrere Führungen für Interessenten regionaler Schulen, als auch Geschichtsinteressierten aus der Region  durchführte, und dafür sorgte dass die Geschehnisse der Vergangenheit nicht in Vergessenheit gerieten.
Am 24. September 2011 fand auch eine Ortsführung für den Heimatverein Buchloe durch ihn statt. Er hat sich in verdienstvoller Weise, sowohl um die Renovierung der Bauernkapelle gekümmert, als auch der lebendigen Erinnerung an diesen historischen Erinnerungsort, einer blutigen Schlacht im Bauernkrieg am 10. Mai 1525, als  hier 150 Bauern von einer Reitertruppe des baierischen Herzogs Ludwig X. (*18.09.1495; † 22.04.1545) niedergemetzelt wurden.

Die Bauernkapelle von Kleinkitzighofen:
Neben vielen Sehenswürdigkeiten dieser Ortschaft, liegt  am südöstlichen Ortsausgang, am Rande eines Ackerfeldes in Richtung zu Grosskitzighofen eine Bauernkapelle. Einheimische erinnern sich, dass oftmals bei starkem Regen oder im Winter beim Schlittenfahren, Schädel oder Knochenteile sich aus dem Kapellenhügel gelöst hatten.  Aus der Sicht der Regierenden der damaligen Zeit hatte hier vor den Toren von Landsberg (bayerisches Gebiet) auf der schwäbischen Seite des Lechs, sowohl im Raume Peissenberg als auch im Landsberger Westen eine „Zusammenrottung“ von rebellischen Bauern stattgefunden, denen sich das Heerlager Herzog Ludwig X. unter dem Befehlshabers dem Landsberger Landspflegshaber – Gregor von Egloffstein entgegenstellte.

Zitat: Friedl (Geschichtliche Darstellung  der Stadt Landsberg aus 1819; Zwerger VW.-Ber. Landsberg/Lech von 1889/S.40;)  …mit entschlossener Mannschaft die Grenzen von Bayern verteidigte und 120 rebellische Bauern tötete und viele gefangennahm…“

Im vorangegangenen Jahre 1924 war in Schwaben der Bauernkrieg ausgebrochen, weshalb man auf bayerischer Seite Vorkehrungen traf. Die Bayerischen Herzöge beobachteten den sammelnden Widerstand mit Sorge. Auf bayerischer Seite hatte man weniger Befürchtungen, da aufgrund der „wittelsbacherischen Bauernschutzpolitik“ eine „relativ“ bessere rechtliche und soziale Lage der Bauern im Herzogtum gesorgt war.
Zitat Reinhard Baumann: ... „dass von den schwäbischen Bauern entlang des Lechs zunächst friedliche Signale ausgingen, erregte eher baierisches Misstrauen, als das es zur Entspannung beitrug....“

Im April 1925 waren bereits baierische Reiter in Geltingen und Buchloe unterwegs und hatten die Ortschaften eingeäschert, was den bäuerlichen Widerstand noch mehr aufbrachte. 2500 „Schwabbauern“ überquerten aufgrunddessen dann den Lech und plünderten die Ortschaft u. Kloster Steingaden und steckten es in Brand, ebenso das Kloster Irsee. Von Landsberg aus war dann die herzogliche Reiterei ständig auf Streife, denn bereits am 23. April bei Denklingen gab es bei Auseinandersetzungen die ersten Opfer (6-7 erstochene Bauern und einige Gefangene) bei kleineren Scharmützeln. Während am 24.April von Landsberg der Landpfleger „Egloffstein“ mit 300 Reitern Richtung Schongau zu vermuteten Aufständischen entgegenzog, kam vorher doch noch durch den Truchseß des Schwäbischen Bundes eine Einigung mit den Allgäuer Bauern zustande, was sicherlich vielen aufgrund der schwachen Bewaffnung das Leben rettete. Der Bayernherzog Ludwig hatte am 4.Mai, durch den Feldhauptmann Thomas von Löffelholz in Anlehnung an den „Weingartener Vertrag“ mit dem abgeschlossenen  „Schutzbrief von Kleinkitzighofen“, alle bayerischen Statthalter, Haupt- und Amtsleute angewiesen, gegen die aufständischen Gemeinden nicht mit Regressionen vorzugehen, sofern die Bauern ihren Widerstand aufgeben.

Nachdem jedoch in den Tagen danach durch Kundschafter und Reiterstreifen erneute Zusammenrottungen beobachtet wurden, richteten die Ortschaften Türkheim und Mindelheim eine Bittschrift an den Bayernherzog. Daraufhin zog der Landspfleger Gregor von Egloffstein dann am 10.Mai  mit 200 Reitern gegen den ca. 700-Mann starken zusammengeschlossenen „Bauernhaufen an der Strass“ (Hurlach, Graben, Klein-&Großaitingen, Langeringen, Schwabmünchen und Wehringen) der unweit von Kleinkitzighofen lagerte. An der Strass bezeichnete man die an oder  unmittelbar an der ehemaligen Römerstrasse Via Claudia anliegenden Ortschaften. Zu erwähnen ist hier auch die Tatsache, dass im „Bauernhaufen“ dabei nicht ausschliesslich Bauern, sondern auch von Bauern gekaufte „Söldner“ unterwegs waren, die auch etwas Erfahrung in der Waffenhandhabung hatten. Man hatte die militärische Lage mit der Herannahung der herzoglichen Reiterei offenbar unterschätzt, was dann aus einer anfänglichen (vermutlichen) herzoglichen Macht-Drohgebärde, letztendlich jedoch zu einer kompletten Metzelei führte. Von den ursprünglich 700 Mann die sich in Gefechtsformation im militärischen Sprachgebrauch zu einer Verteidigung-Igelstellung zusammenzog, wurden in dem aufkommenden Blutbad mindestens 150 Aufständische erstochen und erschlagen. Der Rest wurde versprengt, und z.T. gefangengenommen und mußte dem Bayernherzog den Treueeid huldigen. Die gesammelten Todesopfer wurden zum Großteil an Ort und Stelle unter einem eigens errichteten Hügel begraben. Einige der Opfer, wurden z.T. in deren Heimatortschaften  beerdigt, von denen namentlich sogar einige (z.B. Grossaitingen) bekannt sind (siehe Schriften von R. Baumann).

Anmerkung: Der Schwäbische Bund letztendlich (man schätzt dass durch ihn ca. 2.000 bis 10.000 Menschen insgesamt getötet wurden), beendete in den Folgewochen und Monaten die Revolution in Schwaben und auch Nachbarregionen. Die Niederlage der Allgäuer bei Leubas am 14./15. Juli beendeten dann sämtliche Bauernerhebungen in Süddeutschland. Gemäß historischer Quellen und damaligen Chronisten  u.a. auch Jakob Fugger, schätzte man damals bei allen überregional stattgefundenen Bauernerhebungen  ca. 50.000 – ca 100.000 Erschlagenen, als auch auf der Flucht umgekommenen Bauern. Noch gravierender dürften sich auch die Auswirkungen auf die Familien der Opfer, als auch den regionalen Gemeinden ausgewirkt haben. Hungersnöte, Repressalien sowie Strafabgaben und bei deren Nichteinhaltung folgenden Plünderungen und Niederbrennungen dürften unsägliches Leid in diesem Beginn des 16.Jhdt. gebracht haben.

Anfänglich wurde über die Begräbnisstätte eine Holzkapelle, später um 1730 eine aus Ziegelsteinen gebaute Kapelle zur Erinnerung an die Opfer dieses Massakers errichtet. Heute schmückt die Kapelle heute ein Altar aus dem Jahre 1885. Mit Beginn 2006 wurden dann aufgrund der Dorfinitiative und dem Arbeitskreis Geschichte mit Vorsitz des Heimatpflegers Siegfried Götz eine Renovierungsplanung ins Auge gefasst, deren Umsetzung dann 2009 abgeschlossen, die wesentlich aus Mitteln und Eigenleistung der Gemeinde Kitzighofen getragen wurden. An der linken Wandseite der Kapelle hängt heute ein Votivbild gemalt vom Künstler  Erwin Holzbaur (Mindelheim 1927 -  †2010), der in anschaulicherweise  versucht hat die Geschehnisse vom 10.Mai 1525 in bildhafter Weise umzusetzen. Darunter in Textform folgender Eintrag:

Votivschrifttafel


Zum Gedenken an die 150 schwäbischen Bauern, davon viele aus den Dörfern Klein- und Großkitzighofen, Lamerdingen und Dillishausen, die den sogenannten „Grossen Bauernkrieg“, der ersten deutschen Revolution, am 10.Mai 1525, von bayerischer Reiterei zwischen IGLING und KITZIGHOFEN eingekreist, niedergeworfen und erschlagen wurden. Diese Bauern hatten Menschenrechte eingefordert, wie sie von den Vertretern der drei süddeutschen Bauernhaufen aus dem Allgäu, aus Oberschwaben und vom Bodensee in den ZWÖLF ARTIKELN  in der Reichsstadt MEMMINGEN verabschiedet und verkündet worden waren, vor allem persönliche Freiheit. Legitimation war ihnen das göttliche recht auf der grundlage des EVANGELIUMS. Viele der Gefallenen sollen unter dieser schlichten Kapelle begraben sein. Ihre Forderungen gelten als Vorläufer demokratischer Verfassungen. Ihr Andenken sei den Lebenden Verpflichtung.
OH HERR GIB IHNEN DIE EWIGE RUHE UND DAS EWIGE LICHT LEUCHTE IHNEN. AMEN. RIP.




Auch heutige Funde zeugen von diesem schrecklichen Ereignissen. Im Frühjahr 2009 wurde im unmittelbaren Umfeld eine damalige übliche Kriegswaffe – ein „Morgenstern“ aufgefunden Geortet wurde dieser sensationelle Fund durch ein spezielles Navigationsgerät, das vom Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Augsburg entwickelt wurde. Nach bisherigen Recherchen, wurde die gespickte Eisenkugel 1520 hergestellt, und kam dann in den beschriebenen Kriegswirren zum Einsatz.

Ein weiteres Zeugnis – ein Freskogemälde am Haus 107 des Färbers Kollerbauer in Landsberg am Lech, ging leider beim Abbruch (1904) des Hauses (heute Mädchenschulhaus) verloren. Dieses Gemälde zeigte den Ausmarsch der Landsberger Besatzung gegen die aufständischen schwäbischen Bauern nach Buchloe/Kleinkitzighofen 1525.


Mögen diese Ereignisse uns immer daran erinnern – dass die Vergangenheit nie vergangen und vergessen ist, solange wir uns der Menschen erinnern die den Grundstein für unser heutiges Verständnis von Freiheit, Gleichheit und Demokratie erkämpft, und mit Ihrem Opfer  bezahlt haben !

Literaturquellen/Hinweise:


Internet Links: